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Was macht das heute – „sa leo?“

Mein Heute war heute ausgezeichnet – und das Heute von einem Jungen namens Good(i) in Ludilo wird ihm wahrscheinlich unvergessen bleiben. Bei der Waisenkinderdokumentation in jener Schule war es super deprimierend die Kinder alle der Reihe nach zu fragen, ob noch ein Elternteil lebt, unter welchen Bedingungen sie selbst hausen… So normal, dass sie kein Bett haben, so normal, dass sich niemand um sie kümmert! Auch wenn wir ihnen zumindest neue Schuhe

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und einen Pullover bringen konnten, ist für mich der Tag echt ein bisschen zu viel gewesen. Der viel zu klein geratene 12jährige Good(i) mit offenen Wunden an den Beinen und – für jeden offensichtlich – HIV positiv, hatte beim Berufswunsch absolut keine Idee, noch nie darüber nachgedacht und ehrlich gesagt hatte ich auch das Gefühl, das er das nicht tun müsse, weil er schon so schlecht ausgesehen hat. Lehrer Kigodi hat ihm ein paar Berufe aufgezählt und schließlich hatte er eine eigene Idee: er möchte gerne Fahrer werden. Als wir am aufbrechen waren, haben wir kurzerhand den Kleinen geschnappt, ihn vors Lenkrad gesetzt und sind 30 m nach vor, rückwärts und wieder zur Schule gefahren. Goodi hat gelenkt und brav meinem „kulia! kushoto!“ (links, rechts) gefolgt.

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Kigodi und ich haben uns mindestens so sehr gefreut wie der Kleine! Allein das waren die 3,5 Monate hier echt wert!

Alltag in Mdabulo

Dass ich mich für ein Projekt in einem hochgelegenen Ort entschieden habe war übrigens im Nachhinein sehr weise: Z.B. kann ich die Wäsche einfach draußen trocknen lassen und muss mir keine Gedanken machen, welche Fliege, welche Eier in meine ach so feinen H&M-Sachen gelegt hat… die dann übrigens beim Tragen besagter Kleidung in die Haut krabbeln. Mmmh.

Da staunt man zunächst nicht schlecht, wenn man einen Wettex sucht und einen Haufen kleiner Stoffreste aus der Schneiderei in die Hand gedrückt bekommt. Cif? Nix da. Wasser ist zum Waschen da… Aber ich muss zugeben, es funktioniert.

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Kühlfrost? Fisch und Käse offen und beieinander? Alles kein Problem, wie man sieht. Eigentlich hatte ich nach unschuldigen Erbschen gesucht und dann unseren “Vorrat” entdeckt.

Beim Kochen habe ich schon meine ersten Blasen abbekommen. Nein, nicht wegen etwaigen Verbrennungen, sondern weil einfach  a l l e s  mit dem Messer (!!) geschält werden muss – für 12 Leute. Für meine Gemüse-Suppe also war ich einige Stunden beschäftigt, alle Kartoffeln, Karotten, Erbsen (mussten ausgelöst werden) und Tomaten von Hand zu schälen und dann klein zu schneiden. Dann noch ein paar Zwiebeln gehackt und einen halben Krautkopf kleingeschnitten. Fertig war das neue Gericht. Letizia hat meine Kocherei lachend verfolgt. Vielleicht gibt’s ja jetzt öfters mal ne Suppe?

Auf den Lehmpfaden sieht man hauptsächlich Kinder, wenige Frauen, wenige Männer, einige alte Menschen. Der Grund dafür ist klar: Aids. Die jungen Kinder haben meist ein jüngeres Geschwister auf dem Rücken.Und das Schönste daran – kein Gejammere!

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Interessant ist, dass man die Menschen hauptsächlich an ihrer Kleidung erkennt – da sie meist nur eine Garnitur besitzen, ist dies gerade am Anfang hilfreich.

Leider kann ich nicht kreuz und quer durch die Gegend marschieren, wie ich vorhatte. Aus allen Ecken ertönt ein aufgeregtes “Mzungu”. Das macht die ersten 5 Minuten noch halbwegs Spaß aber dann würde man das gerne ausblenden, so man könnte.

Anna, die Nählehrerin, konnte ich bislang auch noch nicht zu einem längeren Spaziergang überreden. Die 2 x 30 Minuten ist sie nur mir zuliebe mitgelaufen; dass ich Spaßhalber und ohne Wasser oder Brennholz zu holen herumlaufe, war ihr sehr fremd.

Aids sieht man nicht

Wie weiß man, wem man die Hand geben darf, soll, kann – und wem nicht… aus Angst sich eventuell am HIV-Virus anzustecken. Man weiß es nicht. Warum sollen Kinder mit Ablehnung bestraft werden, weil sie von Geburt an an dieser Immunschwäche leiden. Haben nicht gerade sie ein Recht auf Zuwendung und Aufmerksamkeit; v.a. wenn man bedenkt, dass sie oft keine Eltern mehr haben und bei Verwandten aufgenommen wurden.

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Ökonomisch gesehen müsste in den Aufzeichnungen der zu unterstützenden Waisenkinder auch das Krankheitsbild hinterlegt werden. Aber wer sind wir, darüber zu urteilen, wem Schulbildung zusteht, wem nicht. Überdies erhalten alle Infizierten vom Staat die “Wunderpillen”, die ein Leben mit Aids/HIV ermöglichen. Leider wird die Krankheit oft nicht erkannt, von den Menschen fehldiagnostiziert. Sie denken, ihre Schwäche, das Unwohlsein rühre von einer Malaria und gehe wieder vorüber. In den Schulen – ja sogar in der Messe – wird Aufklärung betrieben. An den Straßen stehen Aufklärungsschilder. Man kommt nicht an diesem Thema vorbei.

Die Freude der Kinder, deren Motivation zur Gemeinschaft dazuzugehören lassen keinen Zweifel aufkommen: Ein “Aussortieren” wäre unmenschlich und kaltherzig und es wäre falsch gerade bei den Ärmsten und Schwächsten zu sparen.

In der Ecke brutzelt ein kleines Feuer

Kurz vor dem Abendessen statten wir Mr. Kigodi einen Besuch ab. Kigodi ist der Schuldirektor und Mitglied des Komitees, welches sich um die Belange der Dorfbewohner kümmert. Er weiß genau, welches Kind in die Schule geht, wer es sich nicht leisten kann eine Schuluniform zu kaufen oder wer zu schwach ist in die Schule zu gehen. Wir erfahren von einem aktuellen Fall: Der Vater ist gestorben, die Mutter ist zu schwach, um lange arbeiten zu können, um die Kinder zu versorgen; sie hat Aids und wird nicht mehr lange leben. Die 4 Kinder sind auf sich alleine gestellt; die größeren waschen und versorgen die Kleineren. Das wenige Essen das sie haben, bekommen sie von Nachbarn. Wir beschließen, uns selbst ein Bild davon zu machen:

Müde sitzt die 4fache Mutter vor ihrer 3×3 m großen Hütte. Als sie uns sieht, rafft sie ihre einzige Kitenge (ein 4×1 m großes dünnes Baumwolltuch) zusammen, um ihren Körper und die zerlumpten Fetzen darunter zu verbergen. Unsicher bittet sie uns in die dunkle und beißend nach Rauch riechende Hütte. Dort können wir ein wenig erahnen, wie sich das Leben der 5-köpfigen Familie abspielt: Die Mutter schläft getrennt von den Kindern – ihre Decke ist die Kitenge. In der Ecke brutzelt ein kleines Feuer, nicht hell genug das Innere der Hütte zu erkennen. Dort wird gekocht und wie uns die älteste der Kinder, die 13jährige Tochter demonstriert auch aufgewärmt. Später werden sich dann die Geschwister dazu gesellen um dort zu schlafen. Matten oder eine Matratze besitzt die Familie nicht. Klein zusammengekauert sitzen wir 4 also mit der Mutter und dem 8-jährigen Mädchen auf Holzbrettern. Kigodi erklärt uns, dass das 8-jährige Mädchen den Stein ins Rollen gebracht hat, weil sie nicht zur Schule gekommen ist. Daraufhin hat Kigodi sie besucht und die Situation erkannt: Die Familie hatte nicht genug Geld um Schulmaterial, eine Schuluniform und das Schulgeld zu bezahlen. Außerdem war die Familie auf die Mithilfe des jungen Mädchens angewiesen. So holen die Kinder Wasser aus dem nächst gelegenen Brunnen, suchen und tragen Brennholz herbei und sorgen im Haus für Ordnung.

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Wir merken bald, dass das Dach der Hütte nicht dicht ist. Nicht sehr praktisch, wenn man bedenkt, dass die Regenzeit 6 Monate dauert und die Familie direkt auf dem Boden schläft. Brigitta fragt genauer nach: Wie oft essen die Kinder? Was? Wann haben sie das letzte Mal gegessen? Was wünschen sich die Kinder? Die Antwort fällt einstimmig aus, wenn auch schüchtern und ganz leise ausgesprochen, denn über Armut spricht man nicht: “Ugali.” Der weiße Maisbrei, der zwar nicht sehr nahrhaft ist aber wenigstens den Magen füllt. Wir beschließen am nächsten Tag eine dicke Decke zu kaufen und eine weitere Kitenge für die Mama. Hannes finanziert die Renovierung des Stroh-Daches aus eigener Tasche; 35 Euro für ein trockenes Heim in den nächsten 7 Jahren.