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Was macht das heute – „sa leo?“

Mein Heute war heute ausgezeichnet – und das Heute von einem Jungen namens Good(i) in Ludilo wird ihm wahrscheinlich unvergessen bleiben. Bei der Waisenkinderdokumentation in jener Schule war es super deprimierend die Kinder alle der Reihe nach zu fragen, ob noch ein Elternteil lebt, unter welchen Bedingungen sie selbst hausen… So normal, dass sie kein Bett haben, so normal, dass sich niemand um sie kümmert! Auch wenn wir ihnen zumindest neue Schuhe

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und einen Pullover bringen konnten, ist für mich der Tag echt ein bisschen zu viel gewesen. Der viel zu klein geratene 12jährige Good(i) mit offenen Wunden an den Beinen und – für jeden offensichtlich – HIV positiv, hatte beim Berufswunsch absolut keine Idee, noch nie darüber nachgedacht und ehrlich gesagt hatte ich auch das Gefühl, das er das nicht tun müsse, weil er schon so schlecht ausgesehen hat. Lehrer Kigodi hat ihm ein paar Berufe aufgezählt und schließlich hatte er eine eigene Idee: er möchte gerne Fahrer werden. Als wir am aufbrechen waren, haben wir kurzerhand den Kleinen geschnappt, ihn vors Lenkrad gesetzt und sind 30 m nach vor, rückwärts und wieder zur Schule gefahren. Goodi hat gelenkt und brav meinem „kulia! kushoto!“ (links, rechts) gefolgt.

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Kigodi und ich haben uns mindestens so sehr gefreut wie der Kleine! Allein das waren die 3,5 Monate hier echt wert!

Um viele Lachfalten reicher…

… und um einige Illusionen ärmer, das werde ich auf meinen Heimweg mitnehmen. Jede Lachfalte hat sich rentiert.

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Meine Illusionen, dass alles vielleicht doch nicht so schlimm sei, vieles von den Medien übertrieben dargestellt wird und diese fröhlichen Menschen doch einen Grund haben müssten so fröhlich zu sein, lasse ich in Afrika. Durch den längeren Aufenthalt und den Kontakt mit den Menschen durfte ich Geschichten erfahren und Lebensbedingungen miterleben, bei denen ich den Hut ziehen möchte, dass dieses Volk das Lachen nicht verlernt hat!

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Aids gehört zum Alltag, viele der Kinder haben weder Eltern noch Großeltern. Manche der Menschen hier besitzen entweder ein Holzbett oder eine Matratze, viele nichts von beidem. Sie alle haben gemeinsam, dass sie sich täglich von Ugali und Bohnen ernähren, meist ungesalzen, denn Salz kostet Geld. Gemeinsam haben sie auch, dass jeder auf die Ernte seines Feldes angewiesen ist; der Hauptschuldirektor genauso wie der Vollzeit-Farmer. Und alle arbeiten unter der Sonne Afrikas – ohne sich ein Mittagsschläfchen zu gönnen…

Armut macht kreativ

Topflappen aus Teilen von einer Pappkarton-Schachtel | Fußbälle aus Plastiksäcken eng verschnürt | Öl- und andere Plastikflaschen werden von den kids zu tollen Spielsachen umfunktioniert | mit Autobatterie abendl. zum Radioempfang | 1 Busticket und 1 Sitz für 2 Personen und die dritte Person (das war ich…) muss halt auch ein bisschen zusammenrücken | einen Knäul Juttesäcke als Schrubber-Schwamm | eine Hand voller Stofffetzen geben einen super Wettex ab | Phänomen, dass bei allen Autos die Tankanzeige immer auf „E“ – wie empty – steht. Wird eine längere Fahrt gebucht (20 km) fährt der Fahrer zuerst die Tankstelle an und der Fahrpreis = Tankfüllung | die Coka Cola und ähnliche Flaschen werden mit den Zähnen aufgemacht.

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Und dann noch ein Bild, dass einem einen netten Schmunzler beim WC-Papier-Wechseln entlockt: Hightech Industrial Engineering!

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Ein geschenktes Kind

Heute hätte ich ein Kind geschenkt bekommen! Einzige Voraussetzung: die Kleine soll eine Schulausbildung bekommen. Dann fiele der Abschied nicht schwer, meinte die Mutter, die damals Klassenbeste war, bevor sie viel zu jung schwanger wurde und ihr Traum eines Universitätsabschlusses dann für sie Geschichte war.

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Der kleinen Massetto kann mit EUR 100,- pro Jahr eine Schulbildung finanziert werden, sie wächst in ihrem sozialen und bekannten Umfeld auf und kann bei ihrer Mama bleiben, die ein gutes Auge auf ihre kluge Tochter haben wird, damit ihr nicht das gleiche passiert.

It’s raining days, Halleluja…

Vor ca. zwei Wochen hat sich die Regenzeit angekündigt. Wenn es regnet, fällt der Strom aus. Da muss dann sparsam mit dem Gebrauch des Laptops gewirtschaftet werden. Diese neue Freizeit möchte man gerne mit Essen, Duschen oder Sozialem verbringen. Leider schlägt auch da der Regen einem ein Schnippchen, weil die Küche – in der sich alles abspielt, angefangen von der kommunikativen Köchin Letizia, über das warmen Wasser auf dem Herd bis zum brutzelnden Essen – Kübelregentechnisch viel zu weit weg ist. Bleibt einem also nichts anderes übrig, als den kontinuierlichen Regentropfen die in einen der im Zimmer aufgestellten Kübel zu lauschen… und Kisuaheli via Buch zu lernen. Derweil kann man den neu gebildeten Fluss vor seinem Fenster beobachten

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und mit gemischten Gefühlen an die Waisen denken, die man letzte Woche in ihrer löchrigen Strohdach-Hütte besucht hat!

Einfach nur klein oder Mangelernährung?

Dieser kleine Mann ist mir besonders ins Auge gestochen; er war für sein geschätztes Alter sehr zielstrebig unterwegs, schlecht gekleidet (wir hatten zur selben Zeit Jacken, Socken und 2 Pullis an) und stand nur so vor Dreck. Father Duma stellte den Kleinen zur Rede: er sei 6 Jahre alt, es gehe ihm aber gut.

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Alltag in Mdabulo

Dass ich mich für ein Projekt in einem hochgelegenen Ort entschieden habe war übrigens im Nachhinein sehr weise: Z.B. kann ich die Wäsche einfach draußen trocknen lassen und muss mir keine Gedanken machen, welche Fliege, welche Eier in meine ach so feinen H&M-Sachen gelegt hat… die dann übrigens beim Tragen besagter Kleidung in die Haut krabbeln. Mmmh.

Da staunt man zunächst nicht schlecht, wenn man einen Wettex sucht und einen Haufen kleiner Stoffreste aus der Schneiderei in die Hand gedrückt bekommt. Cif? Nix da. Wasser ist zum Waschen da… Aber ich muss zugeben, es funktioniert.

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Kühlfrost? Fisch und Käse offen und beieinander? Alles kein Problem, wie man sieht. Eigentlich hatte ich nach unschuldigen Erbschen gesucht und dann unseren “Vorrat” entdeckt.

Beim Kochen habe ich schon meine ersten Blasen abbekommen. Nein, nicht wegen etwaigen Verbrennungen, sondern weil einfach  a l l e s  mit dem Messer (!!) geschält werden muss – für 12 Leute. Für meine Gemüse-Suppe also war ich einige Stunden beschäftigt, alle Kartoffeln, Karotten, Erbsen (mussten ausgelöst werden) und Tomaten von Hand zu schälen und dann klein zu schneiden. Dann noch ein paar Zwiebeln gehackt und einen halben Krautkopf kleingeschnitten. Fertig war das neue Gericht. Letizia hat meine Kocherei lachend verfolgt. Vielleicht gibt’s ja jetzt öfters mal ne Suppe?

Auf den Lehmpfaden sieht man hauptsächlich Kinder, wenige Frauen, wenige Männer, einige alte Menschen. Der Grund dafür ist klar: Aids. Die jungen Kinder haben meist ein jüngeres Geschwister auf dem Rücken.Und das Schönste daran – kein Gejammere!

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Interessant ist, dass man die Menschen hauptsächlich an ihrer Kleidung erkennt – da sie meist nur eine Garnitur besitzen, ist dies gerade am Anfang hilfreich.

Leider kann ich nicht kreuz und quer durch die Gegend marschieren, wie ich vorhatte. Aus allen Ecken ertönt ein aufgeregtes “Mzungu”. Das macht die ersten 5 Minuten noch halbwegs Spaß aber dann würde man das gerne ausblenden, so man könnte.

Anna, die Nählehrerin, konnte ich bislang auch noch nicht zu einem längeren Spaziergang überreden. Die 2 x 30 Minuten ist sie nur mir zuliebe mitgelaufen; dass ich Spaßhalber und ohne Wasser oder Brennholz zu holen herumlaufe, war ihr sehr fremd.

Schruns gleich um die Ecke

Eine total lustige Begegnung hatte ich in der Kirche: Plötzlich sprang mir ein nur allzu bekannter Schriftzug ins Auge: die Jacken der Hoch-Joch Bahnen Schruns hatten es bis nach Tansania geschafft!

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Generell sei an diese Stelle gesagt, dass es ja ein Unding ist, Bekleidung mitzubringen und diese dann vor Ort zu verteilen. Das wiederum schwächt ja die Wirtschaft in besagtem Lande. Aber gerade bei den Ärmsten der Armen, die sich ohnehin keine Kleidung leisten könnten und trotzdem frieren, macht es schon Sinn, das erlaubte Gepäcksvolumen von 30 kg voll auszuschöpfen und in jeden freien Winkel noch ein unliebes Kleidungsstück zu stopfen. Das hat sich auch Brigitta gedacht, als sie mit über 50 kg daherkam, inklusive einer Nähmaschine ;o) Nach einem rechten Tohuwabohu konnten wir alles Gepäck auf die insgesamt 8 Personen aufteilen – die beiden Flughafenangestellte waren höchstwahrscheinlich froh, uns dann endlich los zu sein…

Kleines Rechenbeispiel

1 Schokolade = 5.000 Schilling
1 Packung Pringles = 3.500 Schilling
1 Kitenge = 3.000 – 6.000 Schilling
1 Bier = 1.200 Schilling
1 Flasche Wasser = Schilling

Das Gehalt unserer Kindergärtnerin beträgt pro Monat 15.000 Schilling.

Armut macht stumm

Am Vormittag besuchen wir ein Lehrer-Komitee einer anderen Schule, bedanken uns wieder mit einer kleinen Fußball-Spende für die getane Arbeit und besuchen die Waisenkinder in dieser Schule. Sie haben dank der Vorarlberger Hilfe eine Schuluniform und erscheinen regelmäßig im Unterricht. Wieder begegnen wir stiller Dankbarkeit und gesenkten Kinderköpfen. “Armut macht stumm” – ein wahres Sprichwort.

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In der Ecke brutzelt ein kleines Feuer

Kurz vor dem Abendessen statten wir Mr. Kigodi einen Besuch ab. Kigodi ist der Schuldirektor und Mitglied des Komitees, welches sich um die Belange der Dorfbewohner kümmert. Er weiß genau, welches Kind in die Schule geht, wer es sich nicht leisten kann eine Schuluniform zu kaufen oder wer zu schwach ist in die Schule zu gehen. Wir erfahren von einem aktuellen Fall: Der Vater ist gestorben, die Mutter ist zu schwach, um lange arbeiten zu können, um die Kinder zu versorgen; sie hat Aids und wird nicht mehr lange leben. Die 4 Kinder sind auf sich alleine gestellt; die größeren waschen und versorgen die Kleineren. Das wenige Essen das sie haben, bekommen sie von Nachbarn. Wir beschließen, uns selbst ein Bild davon zu machen:

Müde sitzt die 4fache Mutter vor ihrer 3×3 m großen Hütte. Als sie uns sieht, rafft sie ihre einzige Kitenge (ein 4×1 m großes dünnes Baumwolltuch) zusammen, um ihren Körper und die zerlumpten Fetzen darunter zu verbergen. Unsicher bittet sie uns in die dunkle und beißend nach Rauch riechende Hütte. Dort können wir ein wenig erahnen, wie sich das Leben der 5-köpfigen Familie abspielt: Die Mutter schläft getrennt von den Kindern – ihre Decke ist die Kitenge. In der Ecke brutzelt ein kleines Feuer, nicht hell genug das Innere der Hütte zu erkennen. Dort wird gekocht und wie uns die älteste der Kinder, die 13jährige Tochter demonstriert auch aufgewärmt. Später werden sich dann die Geschwister dazu gesellen um dort zu schlafen. Matten oder eine Matratze besitzt die Familie nicht. Klein zusammengekauert sitzen wir 4 also mit der Mutter und dem 8-jährigen Mädchen auf Holzbrettern. Kigodi erklärt uns, dass das 8-jährige Mädchen den Stein ins Rollen gebracht hat, weil sie nicht zur Schule gekommen ist. Daraufhin hat Kigodi sie besucht und die Situation erkannt: Die Familie hatte nicht genug Geld um Schulmaterial, eine Schuluniform und das Schulgeld zu bezahlen. Außerdem war die Familie auf die Mithilfe des jungen Mädchens angewiesen. So holen die Kinder Wasser aus dem nächst gelegenen Brunnen, suchen und tragen Brennholz herbei und sorgen im Haus für Ordnung.

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Wir merken bald, dass das Dach der Hütte nicht dicht ist. Nicht sehr praktisch, wenn man bedenkt, dass die Regenzeit 6 Monate dauert und die Familie direkt auf dem Boden schläft. Brigitta fragt genauer nach: Wie oft essen die Kinder? Was? Wann haben sie das letzte Mal gegessen? Was wünschen sich die Kinder? Die Antwort fällt einstimmig aus, wenn auch schüchtern und ganz leise ausgesprochen, denn über Armut spricht man nicht: “Ugali.” Der weiße Maisbrei, der zwar nicht sehr nahrhaft ist aber wenigstens den Magen füllt. Wir beschließen am nächsten Tag eine dicke Decke zu kaufen und eine weitere Kitenge für die Mama. Hannes finanziert die Renovierung des Stroh-Daches aus eigener Tasche; 35 Euro für ein trockenes Heim in den nächsten 7 Jahren.